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02.12.2020

Kassiopeia und Orion im Sucher

Bei einem Workshop über Sternenfotografie lernen Interessierte nötige Einstellungen und Tricks. Aber auch der Aufenthalt selbst nachts auf dem Berg ist ein magisches Erlebnis.
02. Dezember 2020
Sternenfotografie
Workshop-Teilnehmer bereiten sich auf das perfekte Bild vor (Foto: M. E.)

Nachdem die letzte Gondel talwärts gefahren ist, senkt sich Stille über das Bettmerhorn. Erfüllte noch kurz zuvor Stimmengewirr den Gastraum, geben nach 17 Uhr im Panoramarestaurant nur die Kaffeemaschinen ab und zu Geräusche von sich. Ausser uns ist niemand mehr hier oben. Wir, das sind Fotograf Markus Eichenberger und vier Laien, die sich in die Sternenfotografie einführen lassen wollen. Während draussen der Himmel über den verschneiten Bergen verblasst, rollen wir unsere Schlafsäcke auf dem Boden zwischen den Tischreihen aus. Keinen stört die harte Bettstatt, denn es wird eine kurze Nacht. 18.30 Uhr Theorie, danach Abend essen, von 21 bis 24 Uhr draussen fotografieren, ausruhen, um zwei Uhr aufstehen und wieder fotografieren, sich noch einmal hinlegen, um schliesslich noch den Sonnenaufgang einzufangen, so lautet Markus’ Programm.
Sterne statt Dollars Ursprünglich war der 49­Jährige Investmentbanker, dem schon früh eine steile Karriere gelang. Doch ein Burn out liess ihn einen anderen Weg einschlagen. Aus einer spontanen Reise nach Afrika wurden insgesamt 15 Monate auf dem Kontinent, im Mittleren Osten, in Indien und in Nepal. Als ihm das Geld ausging, kehrte er in seinen Beruf zurück. Doch das schon immer ausgeprägte Fernweh führte ihn bald nach China, wo er für einen Medienkonzern arbeitete und die Fotografie für sich entdeckte. Für Getty Images konnte er alle Stadien ablichten. Damit gelang dem Autodidakten ein Coup, denn seine Bilder wurden während der Olympiade in alle Welt verkauft. Nach weiteren Stationen in London, Dubai und Barcelona lebt er nun im Aargau und arbeitet seit fünf Jahren als Fotograf und preisgekrönter Filmemacher. Auf das Sternenthema sei er gekommen, weil man etwas Ungewöhnliches machen müsse, um als Fotograf überleben zu können, sagt er. Seine jeweils um Neumond herum organisierten «Chasing Stars»­Workshops bietet er im Winter und im Sommer an.
«Blende auf 2,8 oder tiefer stellen, die Verschlusszeit auf 10 bis 15 Sekunden und den ISO­Wert auf 6400», erklärt Markus nötige Einstellungen und wie die Bildkomposition gelingt: «Ein Drittel Berg, zwei Drittel Sternenhimmel.» Sternenfotografie scheint machbar zu sein. Die anderen drei Teilnehmer sind aus unterschiedlichen Gründen hier. Alois, 66, hat einen Vortrag von Markus besucht und daraufhin den Kurs gebucht. Der 44­jährige Philipp will sein Wissen in Sachen Sternenfotografie erweitern. Und Paul, ein begnadeter 78­jähriger Hobbyfotograf, der vor allem Mikropräparate ablichtet, hat sich Sterne als Motiv für die nächsten Weihnachtskarten in den Kopf gesetzt.

Sternenfotografie
Hinreissend. Das Matterhorn im Morgengrauen

Magische Nacht 

Bei Käsefondue stärken wir uns für die Stunden draussen. Wir haben Glück. Es wird mit minus drei Grad nicht besonders kalt werden und eine klare Februarnacht steht bevor. So fast allein in einem leeren Bergrestaurant auf 2647 Metern und umgeben von Dunkelheit scheint der Rest der Welt ganz weit weg zu sein; na ja, zumindest so lange, bis der erste Pistenbullyfahrer um die Ecke biegt.
Als wir kurz vor 21 Uhr unsere Stative packen und nach draussen gehen, ist die Milchstrasse wunderschön über dem Aletschgletscher zu sehen. Eine besonders hell leuchtende Sternenkonstellation identifiziert Markus mit Hilfe der App «Sky Guide» als Kassiopeia. «Du kannst sie aber auch am W erkennen, welches ihre fünf Hauptsterne bilden», erklärt er. Richtung Brig funkeln drei Sterne dicht nebeneinander: der Gürtel des Orion. Und das schwach beleuchtete Restaurant Bettmerhorn hinter uns lässt an ein Ufo denken, das einsam durch die Nacht fliegt. Es gibt so viele Sujets. Wir sind hingerissen und fotografieren unablässig. «Da sich die Sterne bewegen, ist es schwierig, festzustellen, ob ein Bild scharf ist, wenn man nur die Sterne anschaut», sagt unser Lehrer. Er rät, die Bergkanten zu Hilfe zu nehmen. Sind ihre Konturen scharf, werde auch das Bild scharf.
Die zwei Ruhestunden im Schlafsack erscheinen eher wie 20 Minuten, bevor wir wieder in der Dunkelheit durch den Schnee stapfen. Nun stört kein Scheinwerferlicht von Pistenraupen mehr die Szenerie. Markus macht uns auf den veränderten Henkel des grossen Wagens aufmerksam, der sich mittlerweile aufgerichtet hat.

Sternenfotografie
Spektakulärer Blick vom Bettmerhorn Richtung Osten (Foto: M. E.)

Gelb, Orange, Rosa

Um 6.15 Uhr beginnt langsam die Dämmerung. Wir schauen gebannt Richtung Matterhorn und Weisshorn und drücken auf die Auslöser. Der Himmel verfärbt sich von einem zarten Schwefelgelb in feuriges Orange, das schliesslich einem intensiven Rosaton weicht. Es ist magisch. Wieder zurück im Restaurant sitzen wir müde an den Tischen. Doch der Mangel an Schlaf hat sich für das, was wir gesehen, fotografiert und gelernt haben, gelohnt.
Plötzlich ertönt Musik, ein Staubsauber brummt. Von uns unbemerkt ist die Restaurantcrew wieder eingetroffen, die sich für einen erneuten Tag bei Bilderbuchwetter bereit macht. Der Ansturm wird enorm sein. Wir trinken noch einen Kaffee zusammen, während draussen ein Paraglider talwärts schwebt. Hier oben beginnt das Leben erst, wenn ab neun Uhr die Gondelbahn wieder fährt.

Reportage: Juliane Lutz

«CHASING STARS»-WORKSHOPS
Ab Januar finden Workshops wieder auf dem Bettmerhorn und Eggishorn statt.
Kosten: 400 Franken (für Sternengucker 200 Fr.) inkl. Schulungsunterlagen, Abendessen und Unterkunft.

markuseichenberger.com

Sternenfotografie
 
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