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08.07.2025

Drei Minuten bis zum Untergang

Was geschieht, wenn Autos in einen See oder einen Fluss stürzen? Der TCS hat es ausprobiert.

Eine Erkenntnis: Von Elektroautos geht auch unter Wasser keine Gefahr aus.

Text: Daniel Riesen
Fotos: Rasmus Kaessmann

Selbstrettung durchs Seitenfenster
Einer der schnellsten Wege zur Rettung ist, durchs Seitenfenster zu klettern.

Fast jeder kennt die Situation: Das Auto gerät ausser Kontrolle, kommt von der Strasse ab und landet im See. Der Wagen versinkt und füllt sich mit Wasser. Sauerstoff und Zeit werden knapp. Zum Glück kennen dieses Szenario die meisten Menschen nur aus Film und Fernsehen. Dabei ist es gar nicht so selten. Gemäss Unfallstatistik sterben hierzulande vier von hundert Strassenverkehrsopfern im Wasser. Ausserdem lassen die Geschehnisse der letzten Jahre erwarten, dass sich extreme Wetterereignisse, überschwemmte Strassen und damit neue Gefahren häufen.
Die beste Prävention ist, es nicht zum Unfall kommen zu lassen. An sich eine Banalität, im Fall von Wasserdurchfahrten dennoch ein guter Rat. Steht eine Strasse unter Wasser, gerät man leichter in ernsthafte Gefahr, als viele ahnen. Für eine normale Limousine kann dreissig Zentimeter Wassertiefe schon zu Totalschäden führen. Ab fünfzig Zentimetern kann das Fahrzeug aufschwimmen und leicht in noch tieferes Wasser abdriften.
Doch was ist zu tun, sollte man wirklich im Wasser landen? Ein Test des TCS in Zusammenarbeit mit dem deutschen ADAC gibt klare Antworten:

  • Sofort abschnallen und Fensteröffner betätigen.
  • Etwa in der ersten Minute bleibt Zeit, noch über Wasser aus der Seitenscheibe zu kraxeln.
  • Kurz nach der Landung im Wasser lässt sich womöglich die Tür noch öffnen. Das aber bringt das Auto schnell in Schieflage, was andere Insassen zusätzlicher Gefahr aussetzt.
  • Nothammer oder Federkörner (mit integriertem Gurtschneider) gut zugänglich aufbewahren. Lässt sich das Fenster nicht mehr öffnen, kann so die Scheibe, vorzugsweise in den Ecken, eingeschlagen werden.

James Bond bleibt Fiktion

Innerhalb von drei bis vier Minuten versinkt
das Fahrzeug vollständig.

In den Tests dauerte es zwischen drei und vier Minuten bis zum vollständigen Versinken des Autos. Der Druckausgleich als Voraussetzung zum Türöffnen unter Wasser stellte sich erst ein, als der Fahrer den Kopf 1 Minute 37 vollständig eingetaucht hatte. Die «James-Bond-Rettung» funktioniert also nicht!
Auch das Einschlagen der Scheibe hat seine Tücken. Hilfsmittel wie Schlüssel, Gurtschnalle oder Kopfstütze führten nicht zum Ziel. Keine Chance, auch nicht mit Nothammer oder Federkörner , besteht im Fall von Doppelverglasung. Sie bietet Vorteile beim Einbruchschutz sowie in der Lärm- und Thermoisolierung, wird deshalb in der Oberklasse und zunehmend bei Elektroautos eingesetzt. Der Haken: Eine solche Doppelverglasung liess sich von den Testern nicht zerschlagen. Die positive Nachricht hingegen: Die Bordelektrik inklusive der Fensterheber erwies sich unter Wasser als überraschend widerstandsfähig. Selbst nach zehn Minuten Vollbad liessen sich die Scheiben per Knopfdruck öffnen.

Hohe Spannung, geringe Gefahr

Ebenfalls Teil des Tests war, welche Unterschiede zwischen Auto mit Verbrennungsmotor respektive Elektroantrieb bestehen. Die wichtigste Erkenntnis: Von der Hochvolt-Antriebsbatterie des Stromers geht keine besondere Gefahr aus, zu keiner Zeit droht der oft kolportierte Stromschlag. Ausserdem versinkt das Elektroauto weder schneller noch grundsätzlich anders als der Verbrenner. Zuerst schwimmt das E-Auto einigermassen waagrecht auf, bevor es Front voran abtaucht. Nach der Bergung ist geschultes Personal gefragt. Das Hochvoltsystem muss nach Vorschrift getrennt werden. Da der Zustand des Hochvoltspeichers und die Dichtigkeit des gesamten Systems unbekannt sind, muss das Fahrzeug wie ein anderweitig verunfalltes Elektrofahrzeug behandelt werden.

Wie und was wurde getestet?

Das Auto versinkt im Wasser.
Mit Seilen konnte das Testfahrzeug an der am besten geeigneten Stelle im Wasserbecken positioniert werden.

Die Versuche werden auf dem Testgelände der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) 52 in Oberjettenberg (D) durchgeführt. Genutzt wurde ein Panzerwatbecken, fünfzig Meter lang, zwölf Meter breit und mit einer Tiefe von fünf Metern. Der Wasserstand betrug bei den Tests 3,80 Meter. Mittels Zugleinen wurden die Testfahrzeuge an die geeignete Stelle des Beckens gezogen, danach dienten die Seile der Absicherung.
Bei den beiden Fahrzeuginsassen handelte es sich um geschulte Rettungstaucher der Feuerwehr Bad Reichenhall. Beide trugen einen Neoprenanzug. Für den Fahrer stand eine Reserve-Pressluftflasche mit drei Metern Luftschlauch zur Verfügung. Zusätzlich wurden die Versuche durch zwei Sicherheitstaucher im Becken abgesichert.
Als Testfahrzeuge dienten ein Seat Exeo mit Dieselmotor, Baujahr 2009, sowie ein vollelektrischer Citroën ë-C4, Baujahr 2022. Es ging dabei nicht um die spezifischen Modelle, vielmehr sollte abgeklärt werden, ob und wie sich Elektroautos im Fall einer unfreiwilligen Wasserung verhalten.
Für die sogenannten destruktiven Tests, das Zerschlagen von Scheiben, wurden drei unterschiedliche Werkzeuge eingesetzt. Ein klassischer, kleiner Nothammer, ein Federkörner mit integriertem Gurtschneider sowie ein an der Heckscheibe fix angebrachter Federkörner. Beim Federkörner handelt es sich um ein Gerät, das an die Scheibe gehalten wird und auf Knopfdruck einen unter Federspannung gehaltenen Dorn auslöst.

Infos zum eigenen Auto, unter anderem bezüglich der Verglasung, finden sich auf rettungskarte.ch.

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