«Touring» trifft den dreifachen Le-Mans-Champion und TCS-Markenbotschafter bei einem seiner exklusiven Fahrtrainings
in Lignières und darf sogar für ein paar Runden auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Ein Interview mit Tempo.
Bremsen, bremsen, bremsen!», schreit die innere Stimme des Beifahrers. Äusserlich stumm, presst ihn die nicht enden wollende Beschleunigung in den Sportsitz des M3. Als er schon damit rechnet, im Kies zu landen, tritt Marcel Fässler auf die Bremsen und lenkt den BMW messerscharf durch die Kurve. Das Durchatmen des Beifahrers entlockt Fässler ein Lächeln. «Das war doch nur etwa ein g. Bei einem Rennen sind die g-Kräfte bis zu viermal höher», sagt der 45-Jährige. Nebst der körperlichen Belastung imponiert vor allem die Präzision und Ruhe, mit welcher er das Auto zentimetergenau über den Circuit de Lignières manövriert.
Was mühelos und einfach aussieht, ist jahrzehntelange Arbeit und Praxis. Diese Erfahrung gibt der gebürtige Einsiedler rund zehn Mal im Jahr an die Teilnehmenden des TCS-Fahrtrainings «Personenwagen Sport mit Marcel Fässler» weiter (siehe Kasten). Wann hat man schon die Gelegenheit, direkt vom Profirennfahrer Tipps und individuelles Feedback zu bekommen? Dementsprechend hat auch dieser Kurs, der heute wie fast immer ausgebucht ist, sichtlich Eindruck hinterlassen. «Ich habe enorm profitiert», sagt ein Teilnehmer. Schliesslich sei der Instruktor auch nicht irgendjemand. «Wenn er neben einem sitzt und Tipps gibt, versucht man jedes Wort aufzusaugen und es besonders gut zu machen».
Nein, Marcel Fässler ist nicht irgendjemand. Mit drei Gesamtsiegen bei den 24 Stunden von Le Mans, dem Langstrecken-Weltmeistertitel 2012 sowie weiteren grossen Siegen in Spa, Daytona oder Sebring zählt er zu den erfolgreichsten Schweizer Rennfahrern der Geschichte. Eine beispiellose Karriere, die im Alter von achtzehn Jahren begann und nun nach 26 Jahren endet. Darüber und über sein neues Leben, seine neue Ideallinie sozusagen, wollen wir mit ihm sprechen und tauschen Sportsitz mit Cafeteriastuhl.
Haben Sie sich ihr Karriereende so vorgestellt?
Marcel Fässler: Ja, denn ich habe meinen Rücktritt seit zwei Jahren geplant. Diese Zeit war wichtig, um herauszufinden, wie es beruflich weitergeht, und um alles vorzubereiten. Ich hatte das Glück, dass ich mit dem Rennsport das, was ich am liebsten tue, als Beruf ausüben und davon leben konnte. Danach etwas zu finden, das ähnlich viel Spass macht, ist schwierig. Einen Schreibtischjob mit Bürozeiten kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Deshalb freut es mich sehr, dass ich meine Erfahrung weiterhin nutzen und im Motorsport tätig sein kann.
Verdient man als erfolgreicher Rennsportler nicht genug, um nach der Karriere davon zu leben?
Ich hatte ein paar gute Jahre, in denen ich sicher gut verdient habe. Aber ich habe auch eine grosse Familie und ich bezweifle, dass das Polster ausreichen würde. Ausserdem widerspricht es meinem Naturell, mich zurückzulehnen. Dafür bin ich auch zu jung, und ich liebe neue Herausforderungen.
Sie sind 45 Jahre alt, verheiratet und haben vier Töchter. Was meint Ihre Familie zum Rücktritt?
Meine Familie und mein Umfeld haben mich vollumfänglich unterstützt, nicht nur bei dieser Entscheidung, sondern über meine gesamte Karriere hinweg. Gerade meine Familie musste wegen des Rennsports auf vieles verzichten und, was Ferien und Freizeit betrifft, oftmals hinten anstehen. Da können wir jetzt sicher einiges nachholen.
Wie sieht Ihre neue berufliche Situation aus?
Ich bin zu sechzig Prozent bei Sportec in Höri angestellt, wo ich die Motorsportabteilung leite und Fahrzeuge teste – aktuell unter anderem den KTM GTX. Etwa einmal pro Woche bin ich zudem in Hinwil bei Alpha Romeo Racing Orlen. Dort helfe ich, den F1-Simulator weiterzuentwickeln. Ausserdem bin ich Co-Kommentator bei My Sports für die Formel-E-Rennen, und natürlich leite ich mit viel Freude auch weiterhin Sportfahrtrainings für den TCS in Lignières.
Sie sagen es: Rund zehn Mal im Jahr setzen Sie das TCS-Cap auf. Was macht Ihnen an den Fahrkursen besonders Spass?
Einerseits durfte ich den Kurs zusammen mit dem TCS entwickeln und meine eigenen Ideen und Vorstellungen einbringen. Andererseits freut es mich immer, mit Menschen zu arbeiten, die hochmotiviert sind und wirklich etwas lernen wollen. Anderen durch mein Wissen und meine Erfahrung eine Freude bereiten zu können und ihnen etwas Sinnvolles beizubringen, ist sehr schön und befriedigend.
Was lernt man in Ihrem Sportfahrtraining?
Sportliches Fahren bedeutet vor allem auch sicheres Fahren. Nebst Themen wie Lastwechsel, Anbremsen und Herunterschalten, die richtige Sitzposition oder Übersteuern ist es das Ziel, dass die Teilnehmenden am Ende des Kurses an Sicherheit gewinnen. Davon profitieren sie schlussendlich auch im normalen Strassenverkehr.
Kann man mit jedem Auto kommen?
Ja, wir hatten hier schon alle Arten von Fahrzeugen, vom Smart Roadster über den SUV bis zum Ferrari. Das Auto ist aber total sekundär. PS oder Preis spielen keine Rolle. Es geht primär darum, sein Auto kennenzulernen. Man kann auch mit einem kleinen Auto sportlich fahren – ehrlich gesagt, ist das sogar interessanter. Oftmals sind die Fahrzeuge mit den kleinen Motoren auch nicht die langsamsten.
Sie hatten aber meistens mit den ganz starken Autos zu tun. Welches war das beste, das Sie gefahren sind?
Ich hatte das Privileg, während vieler Jahre die tollsten Autos zu fahren. Wenn ich mich entscheiden muss, wähle ich bei den Rennautos den Audi R18 aus der Saison 2014/15 und bei den Strassenautos den Audi RS6. Ich muss dazu aber sagen, dass ich ein Fahrzeug privat in erster Linie brauche, um von A nach B zu kommen. Das muss überhaupt kein Supersportler sein. Mein Herz schlägt mittlerweile ohnehin weniger für die schnellen, sondern mehr für die alten Autos.
Besitzen Sie einen Oldtimer?
Ich habe einen alten T3, und mir schwebt etwas im Kopf herum, was ich gerne kaufen würde. Dazu brauche ich aber noch die Erlaubnis von zu Hause.
Welches war die schwierigste Rennstrecke, die Sie gefahren sind?
Die schwierigsten sind immer diejenigen, die einfach aussehen. Während meiner ganzen Karriere habe ich eine Strecke nur ein einziges Mal unterschätzt. Das war der Norisring bei Nürnberg, als ich in der Formel 3 war. Da gibt
es nur vier Kurven und der Rest sind Geraden. Hier kann man ja nicht viel falsch machen, dachte ich. Doch weil es für alle Fahrer nur diese vier Kurven gibt, muss man sie jedes Mal perfekt treffen, sonst hat man keine Chance, vorne dabei zu sein.
Hatten Sie eine Lieblingsstecke?
Meine absolute Lieblingstrecke ist die Nordschleife am Nürburgring, nicht die GP-Strecke. Zudem bin ich in Europa sehr gerne in Spa und Silverstone gefahren. Auch in den USA gibt es ein paar geniale Pisten, wie Elkhart Lake oder Petit Le Mans.
Sie kommentieren Formel-E-Rennen. Wie steht jemand zur Elektromobilität, der Benzin im Blut hat?
E-Mobilität macht für mich vor allem in den Städten Sinn. Auch im Rennsport ist es durchaus eine attraktive Alternative und eine gute Basis, die Technologie weiterzuentwickeln. Ich bin selber Rennautos mit Hybridantrieb gefahren. Für längere Strecken bin ich jedoch sehr skeptisch. Es gibt meiner Meinung nach viele offene Fragen, und es müssen Prioritäten gesetzt werden, wo E-Autos sinnvoll sind und wo nicht. Und ich störe mich etwas daran, dass man den Verbrennungsmotor jetzt verteufelt und den Elektroantrieb als Weltretter darstellt. So einfach ist es, denke ich, nicht.
Welchen Rat geben Sie einem Kind, das Rennfahrer werden will?
Auch ich war einmal ein Kind mit diesem Traum, und mir wurde immer wieder eingeredet, dass ich das nie erreichen werde, schon gar nicht als Schweizer. Deshalb ist es wichtig, hartnäckig zu sein und für sein Ziel zu kämpfen. Natürlich braucht es auch immer eine Portion Glück, das war bei mir nicht anders. Aber meine Devise lautet: Wenn du etwas erreichen willst, aber es nie versuchst, weisst du auch nie, ob du es geschafft hättest. Auch ich musste zu Beginn viele Absagen von Sponsoren schlucken, und ich war sogar nahe an dem Punkt, alles hinzuwerfen. Dank meiner Schwester, die mich motiviert hat, bin ich drangeblieben und habe tatsächlich jemanden gefunden, der mir geholfen hat. Das war in der Formel 3 und rückblickend meine entscheidendste Saison.
Was wäre aus Marcel Fässler geworden, wenn es als Rennfahrer nicht gereicht hätte?
Da ich schon immer ein Faible für Geschwindigkeit hatte, hätte ich es sicher im Skisport versucht.
Text: Dominic Graf
Fotos: Emanuel Freudiger
Weltmeisterliches TCS-Fahrtraining
Mit dem Kurs «Personenwagen Sport mit Marcel Fässler» bietet TCS Training & Events die Gelegenheit, einen Tag lang mit dem Langstrecken-Weltmeister auf dem Circuit de Lignières, der einzigen Rennstrecke in der Schweiz, zu verbringen. Beim exklusiven Event erlernen die jeweils nur acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer das sportliche Fahren, feilen an ihrer Technik und profitieren von den individuellen Tipps des Profirennfahrers. Auch für persönliche Gespräche und ein Kennenlernen bleibt genügend Zeit, sei es während der Pausen oder am Vorabend beim gemeinsamen Abendessen.
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