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Crash-Test Wasser: Wie rettet man sich aus einem sinkenden Auto?

Bei einer Wasserung des Fahrzeugs zählt jede Sekunde. Die durchgeführten Versuche haben gezeigt, dass unter Testbedingungen ein Ausstieg aus aktuellen Fahrzeugen durch heruntergelassene oder eingeschlagene Scheiben möglich ist. Der Ausstieg sollte in unter einer Minute erfolgen, um die Überlebenschancen zu maximieren.

 
 

Korrektes Verhalten im Wasser

Einfahrt über die Rampe. Foto: Rasmus Kaessmann
Einfahrt über die Rampe. Foto: Rasmus Kaessmann

Bei einer Wasserung des Fahrzeugs zählt jede Sekunde. Der Ausstieg sollte in unter einer Minute erfolgen, um die Überlebenschancen zu maximieren. Die Fenster sollten so früh wie möglich geöffnet werden, da die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Bordelektrik mit der Zeit steigt. Das Handlungsschema „Abschnallen“, „Fenster öffnen“, „Fahrzeug sofort verlassen, Kinder zuerst“ sollte eingeprägt werden und zu Hause auch einmal der Ausstieg aus dem Seitenfenster geübt werden.

 
 
  • Spielen Sie das Szenario vorher geistig durch und prägen Sie sich das korrekte Verhalten ein: abschnallen, Fenster herunterlassen, ggfs. Kindern und anderen Personen helfen, Ausstieg
  • Nothammer oder Federkörner in Kombination mit Gurtschneider an gut zugänglicher Stelle im Fahrzeug platzieren. Andere Hilfsmittel zeigten sich nicht als nützlich.
  • Bewahren Sie Ruhe und nutzen Sie die Zeit sinnvoll. Verlassen Sie das Fahrzeug so früh wie möglich.
  • Der Ausstieg sollte innerhalb der ersten Minute erfolgen.
  • Der Ausstieg sollte idealerweise über die Seitenscheibe erfolgen, da dies mehr Zeit verschafft.
  • Schlagen Sie die Scheibe in den Ecken ein und schützen Sie Ihre Augen.
  • Als letzte Möglichkeit können Sie versuchen, die Scheibe herauszutreten. Dies erfordert hohen Kraftaufwand und setzt voraus, dass der Scheibenrahmen versagt. Ein Test mit rahmenlosen Türen konnte nicht durchgeführt werden.
  • Nicht darauf warten, dass sich die Tür öffnen lässt. Die Tür lässt sich erst öffnen, wenn der Druckausgleich erfolgt ist. Im Test war der Kopf des Insassen (Rettungstaucher mit Sauerstoffmastek) bereits 1 Minute und 37 Sekunden unter Wasser, bevor er die Tür öffnen konnte.

Ausgangslage

In den letzten Jahren haben extreme Wetterereignisse in Europa stark zugenommen. Starkregen, Überschwemmungen und Erdrutsche können innerhalb kürzester Zeit zu erheblichen Gefahren führen, wenn Strassen überflutet, Tunnel geflutet oder Tiefgaragen voll Wasser laufen.

  • In der Schweiz liegt der Anteil der Verkehrsunfallopfer, die im Wasser ertrinken, im Zeitraum von 2012 bis 2021 bei etwa 4%.
  • In den Niederlanden sterben jährlich durchschnittlich über 50 Menschen bei Verkehrsunfällen, bei denen Fahrzeuge im Wasser versinken.
  • In der Türkei wurden im Zeitraum von 2009 bis 2016 insgesamt 41 Fälle dokumentiert, bei denen die Todesursache nachweislich Ertrinken im Fahrzeug war. Davon ereigneten sich 73% in Flüssen, 17% in Seen und knapp 10% im Meer.
  • In Deutschland wurden im Jahr 2024 insgesamt 33 Unfälle im Zusammenhang mit Auto und Wasser identifiziert. Dabei kamen 11 Menschen ums Leben. Von diesen Unfällen ereigneten sich 9 in stehenden Gewässern (See, Teich, Rückhaltebecken) und 20 in fliessenden Gewässern (Bach, Fluss, Kanal).

Wenn das Auto langsam im Wasser versinkt und Wasser in den Innenraum eindringt, steigt die Panik. Das kalte Wasser schränkt zudem die Beweglichkeit ein.

Wie kann man sich aus einer solchen Lage befreien? Gibt es hilfreiche Tipps oder technische Hilfsmittel? Haben die Autohersteller Vorkehrungen getroffen? Diese Fragen soll der Test beantworten.


Testergebnisse

Aus den durchgeführten Versuchen lassen sich die folgenden Kernaussagen und Empfehlungen ableiten. 

Ausstieg aus dem Fahrzeug über die Seitenscheibe Foto: Rasmus Kaessmannzoom
Ausstieg aus dem Fahrzeug über die Seitenscheibe
Foto: Rasmus Kaessmann

Die durchgeführten Fahrzeugversuche haben folgende Erkenntnisse geliefert:

  • Das Sinkverhalten von Elektrofahrzeugen und Verbrennern unterscheidet sich nur geringfügig. Beide zeigen ein kopflastiges Verhalten, wobei der Verbrenner aufgrund des Kraftstofftanks und der Karosserieform etwas stärker im Heck aufschwimmt.
  • Die Zeit bis zum vollständigen Versinken beider Fahrzeugtypen beträgt 3 bis 4 Minuten, abhängig von der gewählten Ausstiegsöffnung.
  • Nothammer und Federkörner funktionieren sowohl über als auch unter Wasser problemlos bei gehärtetem Sicherheitsglas.
  • Bei Doppelverglasung sind Nothammer und Federkörner unbrauchbar. Es muss sichergestellt werden, dass die Fensterheber funktionieren.
  • Doppelverglasung bietet Vorteile im Einbruchschutz sowie bei der Geräusch- und Thermoisolierung, macht jedoch den Notausstieg über die Scheibe von innen nahezu unmöglich. Ein Ausstieg ist nur durch Herunterfahren der Fenster möglich.
  • Die Kopfstütze ist schwer herauszuziehen, insbesondere wegen der Kopffreiheit. Bei elektrisch verstellbaren Sitzen kann wertvolle Zeit verloren gehen. Die Zerstörung der Scheibe von innen ist mit der Kopfstütze sehr schwierig.
Ausstieg aus dem Fahrzeug über die Heckscheibe  Foto: Rasmus Kaessmannzoom
Heckscheibe nach dem Ausstieg
Foto: Rasmus Kaessmann
  • Die Scheibe herauszutreten, erfordert hohen Kraftaufwand und setzt voraus, dass der Scheibenrahmen versagt. Ein Test mit rahmenlosen Türen konnte nicht durchgeführt werden.
  • Der Durchstieg nach hinten zur Heckscheibe ist selbst unter Idealbedingungen schwer realisierbar. Gepäcknetze und Ladung auf der Rückbank oder im Kofferraum erschweren den Durchstieg zusätzlich.
  • Eine Türöffnung ist nur nach erfolgtem Druckausgleich möglich. Der Druckausgleich stellte sich im Versuch erst nach 4 Minuten und 36 Sekunden ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Fahrer den Kopf bereits seit 1 Minute und 37 Sekunden unter Wasser.
  • Vom Hochvoltsystem geht keine direkte Gefahr aus. Das Fahrzeug sollte jedoch als Unfallfahrzeug gemäss der Rettungskarte behandelt werden. Das Hochvoltsystem muss mittels HV-Disconnect getrennt und freigemessen werden. Diese Arbeiten sollten nur von geschultem Personal durchgeführt werden, wobei adäquate Schutzausrüstung zu tragen ist.
  • Es wurden keine thermischen Auffälligkeiten im Hochvoltsystem beobachtet. Allerdings kommt es zu einem Temperaturanstieg im Sicherungskasten des Niedervoltsystems.
  • Das Niedervoltsystem erwies sich als strapazierfähig und blieb über die gesamte Versuchsdauer, selbst bei einer Verweildauer von 10 Minuten im Wasser, funktionsfähig.

Tipps für den Verbraucher

Allgemeine Tipps

  • Wie finde ich heraus, ob mein Fahrzeug Doppelverglasung hat? Die Art der Scheibe ist in der Rettungskarte vermerkt, insbesondere bei neueren Fahrzeugen. Prüfen Sie, ob sich auf der Scheibe selbst eine entsprechende Bezeichnung findet. Eine Doppelverglasung kann auch anhand der Dicke der Scheibe erkannt werden.
  • Platzieren Sie den Nothammer an einer leicht zugänglichen Stelle im Fahrzeug und fixieren Sie ihn dort. Ein Modell, das auch einen Gurtschneider integriert, ist besonders sinnvoll und kann auch als Ersthelfer nützlich sein.

Vermeidung der Gefahr

  • Respektieren Sie gesperrte Flächen und vermeiden Sie Wasserdurchfahrten. Suchen Sie besser nach alternativen Wegen und nehmen Sie gegebenenfalls einen Umweg in Kauf.
  • Sensibilisierung für die Gefahren von Wasserdurchfahrten: Bereits bei Wassertiefen von 30 cm drohen ernsthafte Schäden für Technik, Leib und Leben. Ab 50 cm kann das Fahrzeug aufschwimmen und dadurch unsteuerbar werden.
  • Vermeiden Sie Sliprampen und Hafenkanten.
  • «Lane Departure Warning» und «Lane Keeping Systems» können potenziell helfen, Abkommensunfälle zu vermeiden.
 
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