Einige Monate nach dem Vorfall ist er immer noch voller Wut und möchte Autofahrer, die ihr Auto verkaufen wollen, warnen. Erfahrung, Rechtslage und Empfehlungen.
Laut einer englischen Studie aus dem Jahr 2021 werden in der Schweiz täglich neunzehn Autos gestohlen. Im letzten Herbst ging Pierre Burger aus Villars-Le-Grand (VD) ungern in diese Statistik ein, als Opfer eines Wiederholungsbetrugs. Was geschah? Er wollte seinen Land Rover Defender verkaufen und schaltete eine Anzeige auf der Webseite Autoscout. «Ein Mann, der sich als Versicherungsvertreter ausgab, rief mich an und sagte mir, dass einer seiner Kunden am Kauf interessiert sei», erzählt er. Man verabredet sich in Aigle. Der angebliche Versicherungsvertreter, jung und top gestylt, fährt im BMW vor. Der vereinbarte Preis von 50 000 Franken wird leicht nach unten gehandelt, und Pierre Burger hat im Gegenzug zu einem Kaufvertrag nichts dagegen, dass der interessierte Kunde sein Auto kennenlernt, das er dem Vermittler überlässt, während er auf anderem Weg nach Hause kommen will. Man verabschiedet sich und vereinbart einen neuen Termin, um das Geschäft im Beisein des Käufers abzuschliessen. Dazu wird es jedoch nie kommen. Mit immer neuen Ausreden spielt der Betrüger einige Tage lang auf Zeit, bis er schliesslich am Telefon sagt: «Ich habe Ihr Fahrzeug weiterverkauft, wir sehen uns vor Gericht wieder.»
rschüttert realisiert Pierre Burger seinen Fehler, dem Mann das Auto mit dem Original-Fahrzeugausweis überlassen zu haben. «Er annullierte ihn beim Strassenverkehrsamt und meldete das Fahrzeug auf seinen Namen um, bevor er es billig weiterverkaufte.» Eine Nachforschung des Opfers ergibt erstens, dass in der Romandie vier weitere Besitzer – alle von teuren Autos – in gleicher Weise von derselben Person abgezockt wurden, im Gesamtbetrag von rund 250 000 Franken; zweitens, dass sein Land Rover in einer Garage im Walliser Chablais zum Verkauf steht. Trotz Anzeige werden weder die Ordnungskräfte noch die Justiz die wiedergefundenen Fahrzeuge, darunter jenes des Waadtländers, sicherstellen und zurückgeben. «Die Polizei hat mein Auto gesperrt, doch es gehört mir nicht mehr, da es nicht mehr auf meinen Namen läuft», klagt Pierre Burger, der sich, «ungestraft seines Fahrzeugs beraubt» sieht.
«Mein Fehler war zu vertrauen, doch das System ist anfällig. Der Betrug ist zu einfach», fährt er fort. Seine erste Anklage richtet sich gegen das Waadtländer Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt. «Man sagte mir, nur Zoll, Polizei und Gendarmerie hätten Zugriff auf die RIPOL-Datenbank gestohlener Fahrzeuge. Doch laut einer Information, die eine Abgeordnete des Grossen Rats für mich einholte, hat das Amt Zugang. Ohne Kontrolle wird allen Verbrechern Tür und Tor geöffnet – eine grobe Fahrlässigkeit seitens der staatlichen Behörde.» Weiter ärgert sich der Unglückliche über seine Versicherung, die sich weigert, auf seine Schadensersatzforderung einzugehen, da er ihrer Ansicht nach Opfer eines Vertrauensmissbrauchs und nicht eines Diebstahls geworden ist (siehe Kasten). Als wäre dies noch nicht genug, bleibt auch noch die Verkehrsabgabe 2022 geschuldet, immerhin mit Zahlungsaufschub bis Vorliegen eines Gerichtsentscheides.
Darauf angesprochen, möchte Pascal Chatagny, Leiter des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts in Lausanne und Vizepräsident der Vereinigung der Schweizer Strassenverkehrsämter der Schweiz (asa), zunächst sein Verständnis für das Opfer eines in seinen Augen «erstaunlichen, aber zum Glück seltenen» Missbrauchs kundtun. Dennoch erinnert er an den in allen Strassenverkehrsämtern des Landes geltenden Grundsatz: Die Person, die den Original-Fahrzeugausweis vorweist, gilt als Fahrzeughalter. «Das ist ein normaler und legaler Vorgang. Wir stellen also grundsätzlich keine Fragen und haben auch nicht die Mittel für Kontrollen. Anders, wenn eine Anzeige erstattet wurde. Dann werden die Daten in die RIPOL-Datenbank, auf die wir Zugriff haben, eingegeben, und die Sperrungen erfolgen automatisch. Diese Person hat eine kleine Lücke im Verfahren gefunden und ausgenutzt. Es tut mir leid für den Besitzer wie auch den Garagisten, der das Auto im guten Glauben erworben hat.»
Amtsleiter Pascal Chatagny schliesst seine Ausführungen mit einigen grundlegenden Tipps für solche Fälle: den Fahrzeugausweis und das Fahrzeug nie einem Unbekannten überlassen; am besten mit einsteigen, wenn der Käufer eine Probefahrt wünscht; und schliesslich sicherstellen, dass der vereinbarte Kaufpreis bezahlt ist, bevor man das Fahrzeug abgibt.
Text: Jérôme Lathion
Foto: ARC/Jean-Bernard Sieber
Illustration: Nicolas Kristen
Für das Opfer ist das Resultat das Gleiche: Es hat sein Eigentum verloren. Versicherungsrechtlich jedoch wird klar zwischen Diebstahl und Vertrauensmissbrauch unterschieden, wobei Letzterer gewöhnlich nicht gedeckt ist. «Wäre das Fahrzeug gestohlen worden, wäre der Fall einfacher. Hier aber eignet sich die Person unrechtmässig eine ihr anvertraute Sache an und verfügt darüber», so Dominique Charmillot, Rechtsanwalt und Leiter der Schadenabteilung Westschweiz und Tessin bei Assista AG, der Rechtsschutzversicherung des TCS. Im Klartext: Übermässiges Vertrauen – um nicht zu sagen Naivität – wird bestraft. Was die Rückgewinnung des Eigentums des Opfers in einem solchen Fall betrifft, ist dies zwar möglich, aber heikel: «Aufgrund des dinglichen Rechts schützt Artikel 933 des Zivilgesetzbuches das Eigentum eines gutgläubigen Erwerbers, in diesem Fall des Garagisten. Er könnte sich nicht mehr darauf berufen, würde sich das Geschäft als dubios herausstellen.» Nach Ansicht des Rechtsexperten ist eine Schadenersatzklage möglich und die Rückgewinnung des Fahrzeugs denkbar, sofern die böse Absicht des letzten Käufers erwiesen ist. Etwa als Mitglied einer kriminellen Organisation.
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