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03.09.2025

Der Col de la Loze mit dem Fahrrad

Dieses Monster in den französischen Alpen ist grösstenteils den Radfahrern vorbehalten. Eine Exklusivität, die man sich verdienen muss.

Auch in der Schweiz finden sich Gelegenheiten, ungestört der Schwerkraft zu trotzen.

Reportage: Daniel Riesen

Col de la Loze

Eine Wand

Ach du meine Güte! Mehr als einmal im Aufstieg zum Col de la Loze holt uns dieser Gedanke milden Entsetzens ein. Weil sich vor uns, Velofahrer ohne übermenschliche Fitness, eine «Wand» auftürmt. In Wellen geht es hoch auf diesen 2304 Meter hohen Pass in den Savoyer Alpen. Die Angst einflössenden Wände folgen auf flachere Passagen. Allerdings sind auch diese einfacheren Abschnitte so anstrengend wie übliche Passstrassen in den Alpen. Doch der Col de la Loze ist keine normale Passstrasse – dieser Übergang zwischen den Ferienorten Méribel und Courchevel ist schmal und steil. Dafür Velos und E-Bikes vorbehalten.

Asphaltband für Radler

Col de la Loze
Entspannung in einem gnädigeren Abschnitt des Aufstiegs.

Allzu viele Gelegenheiten gibt es nicht, autofrei mit dem Rennvelo – also nicht auf Schotter – einen Gipfel zu erklimmen. Das gibt es meist nur an Events oder bei besonderen Streckensperrungen (siehe «gute Gelegenheiten»). Das vier Meter schmale Asphaltband auf den Loze hingegen ist permanent autofrei, extra für Velofahrer angelegt. Allerdings wurde hier keine neue Strasse gebaut, wie Thierry Carroz betont, es wurde lediglich eine für den Unterhalt der Skianlagen genutzte Piste mit einem Belag versehen. Carroz ist Directeur des Club des Sports von Méribel und nicht unschuldig daran, dass wir heute hier sind. Thierry – man duzt sich unter Sportlern – räumt ein, dass es der frühere Bürgermeister von Courchevel war, dem mit Méribel rivalisierenden Ferienort hinter dem Berg, der den Anstoss gab für den Klettersteig, Pardon, Radweg. Carroz aber hat mitgemischt dabei, das grösste Radrennen der Welt, die Tour de France, hierhin zu locken.

Steil sind auch die Spitzkehren. Kurz aus dem
Sattel gibt Zusatzschub.

Und ohne die Tour, gewissermassen eine dreiwöchige fahrende Tourismusmesse, hätten wir womöglich vom Veloweg über diesen zuvor unbekannten Pass gar nichts erfahren. 2019 entstand der Veloweg und schon im Jahr darauf gastierte die Tour de France mit einer Bergankunft auf dem Col de la Loze. Sogar Präsident Macron hielt bei dieser Gelegenheit dort oben Hof. Politisch noch in besserer Form zeigte er sich begeistert vom ultrasteilen Schlussabschnitt und vom packenden Rennverlauf; Tadej Pogačar lag hier noch nicht vorn, gewann die Tour aber trotzdem.
Den Aufstieg von der Seite Méribel gibt es in unterschiedlicher Länge. Die Unerschrockenen starten unten im Tal, in Brides-les-Bains. Da sind es schon rund 800 Höhenmeter bis nach Méribel Centre. Dort führt die Strecke, immer noch nicht autofrei, in gnädiger Steilheit hoch durchs Dorf. Der Veloweg star tet sieben Kilometer vor dem Pass. Wir sind vorbereitet und ahnen, was uns erwartet. Das Höhenprofil, in diversen Rottönen koloriert, haben wir studiert. Zwischen acht und dreizehn Prozent betrage die Steigung, lässt sich herauslesen. Als Anhaltspunkt für Nichtradler: Die gewiss nicht einfache Südrampe des Gotthardpasses von Airolo über das Pflasterstein der Tremola wird mit 7,1 Prozent Durchschnittssteigung angegeben.
Zahlen und Daten, auch das sei Menschen ohne Rennvelovirus erklärt, spielen eine wichtige Rolle. Die wichtigsten Währungen sind gefahrene Kilometer und der addierte Höhenunterschied, die Höhenmeter. So lässt sich die Schwierigkeit einer Tour ganz gut in Zahlen fassen. Und sie, nach getaner Tat, über spezielle Social-Media-Portale mit anderen «Gümmelern» teilen.

Von Heldinnen und Helden

Col de la Loze
Die Aussicht in den obersten Passagen des Passes ist grandios.

Zahlen sind aber nicht die ganze Wahrheit. Steht an einem der weiss-gelben Kilometersteine zum Beispiel elf Prozent, dann meint dies den Durchschnitt für die nächste Wegstrecke. Wenn also unser Veloweg weitgehend flach durch den Wald mäandert, ahnen wir schon kommendes Ungemach. Und tatsächlich, nach der nächsten Biegung geht das Strässchen beim Sechs-Kilometer-Stein abrupt aus der Horizontalen in die Vertikale. Die Rampe ist kurz, rechtzeitig, bevor die Oberschenkel versteinern, folgt etwas Erholung. Dies aber nur als Vorspeise für drei Haarnadelkurven, die steil genug sind, um Waden und Lunge aufs Äusserste zu plagen. Im Streckenbeschrieb werden sie auch als Höllenspitzkehren beschrieben. Dann ist die Waldgrenze überschritten, wir passieren Skilift-Bergstationen und stechen in die nächste Wand.

Col de la Loze
Der Col de la Loze von Méribel: 8,6% durschnittliche Steigung,
20,5%, die steilsten hundert Meter, 10,1 Kilometer Länge und 864 Höhenmeter.

Auf dem Bildschirm des Radcomputers stehen erstmals zwanzig Steigungsprozente, und dies für mehrere Hundert Meter. Spüren wir bereits die Sauerstoffarmut der Höhenluft oder sind es bloss die dringend nötigen Höhenmeter, die wir in diesem durchfeuchteten Frühsommer nicht gefahren sind? Egal, Anstrengung reicht nicht mehr aus, jetzt kommt Leiden hinzu. Einer stösst sein Rad. Kommt für uns nicht infrage. Es gibt ja mehrere Formen des Scheiterns: Die Höchststrafe ist, gar nicht hoch zu kommen. Das Rad stossen, es dafür bis oben schaf fen, klingt vernünftig, bleibt aber ehrenrührig. Schlangenlinie fahren, dafür nicht absteigen müssen … Na ja, wo bleibt der Stil? Das ist halbernst gemeint, doch der innere Held und die innere Heldin folgen eigenen Gesetzen. Und wir Velohelden haben schliesslich einen grossen Ruf zu verteidigen. Von Kübler, Koblet und Coppi bis Merckx und Pogačar.

Die drei Täler per Velo

Thierry Carroz hat geholfen, die Tour de France
auf den Col de la Loze zu lotsen. Bessere
Werbung gibt es kaum.

Die Blumenwiesen liegen inzwischen hinter uns, die letzten drei Kilometer führen entlang eines geröllig-felsigen Hangs. Den Col de la Loze, offiziell auch Sommet des Lanches genannt, haben wir nun fest im Blick. Der Veloweg steigt erneut treppenförmig an. Nur in den Zwischenstücken reicht der Schnauf für einen Schwatz. Schön, zu fünft nebeneinander strampeln zu dürfen.
Wir klettern im Schatten, links unter uns liegen die schon bezwungenen Alpweiden von Méribel, gegenüber zeichnet sich eine kommende Herausforderung ab, der Hügelzug am Horizont, der die Täler Allues und Les Belleville trennt. Dort ist die Bergstation Tougnète erkennbar, wo Liftanlagen aus beiden Tälern kulminieren. Und wo, von Belleville her, ebenfalls ein grauslich steiler Veloweg hinführt. Was noch fehlt respektive noch nicht asphaltiert wurde, ist die Verbindung hinunter nach Méribel Mottaret. «Ich bin optimistisch, dass wir das bald realisieren können», sagt Sport direktor Thierry Carroz. Noch sind sich Gemeinde und Grundeigentümer nicht in allen Punkten einig. Dieses letzte Teilstück würde das Projekt vervollständigen und «Les 3 Vallées», das grösste Skigebiet der Welt, im Sommer zur Drei-Täler-Tour für Rennvelofans machen.

Col de la Loze
Ohne Gipfelfoto geht es nicht.

«1 km, alt. 2190, 11%». Die letzte Wegmarke liest sich erneut halb so schlimm, doch von Fernsehbildern wissen wir: Das Dessert kommt ganz zuletzt. Zwei letzte Zwanzig-Prozent-Wellen fordern nochmals vollen Einsatz. Die Luftröhre brennt, die Beine schmerzen, logisch. Doch nun schreien sogar Arme und Schultern. Wer Pulsuhr trägt, schaut besser nicht hin.
Dann sind wir oben. Eine Minute schnauben wir noch wie Walrosse beim Joggen, dann ist gut. Kein grosses Trara zur Gipfelfeier, ein paar Fistbumps zum Zeichen des gemeinsam Geschafften genügen. Ein mehrere Meter hohes Velo, weiss lackiert mit roten Punkten (das Dessin der Bergpreistrikots in der Tour) dominiert den Pass. Es ist zugig. Wir schlüpfen in die Windjacken – stets dabei in den Bergen – und stürzen uns in die Abfahrt, zurück nach Méribel. Der Kurvenflug über Kuppen und Steilstufen macht Lust. Plötzlich ein unbrauchbarer Gedanke: Wann habe ich zuletzt die Bremsbeläge kontrolliert …?
Alles geht gut, zufrieden rollen wir durch Méribel. Die Skistation war in den 1930er-Jahren von einem Schotten gegründet worden. Der setzte Regeln bezüglich Gebäudehöhe und Baumaterialien, die verhinderten, dass aus dem Dorf eine gesichtslose Retortenstadt wird. Well done!

Die Radtour am Col de la Loze wurde unterstützt durch atout-france.fr.
Quelle: climbfinder.com; Karte Keystone

Die Tour de France und der
Col de la Loze

2025 war der Col de la Loze nun bereits das dritte Mal Schauplatz für eine Etappe der Tour de France, des wichtigsten Radrennens der Welt. Wie 2021 war der 2301 Meter hoch gelegene Pass Zielort, die Auffahrt erfolgte aber erstmals von Courchevel. Dieser Anstieg ist weniger hart als jener von Méribel, die maximale Steigung beträgt knapp über 14 Prozent; im Schnitt sind es 6,6 Prozent. Es stand, an diesem kühlen Juli-Tag, die 18. Etappe der diesjährigen Männer-Tour auf dem Programm. Die Fahrer waren müde und mürbe vom bisherigen Rennen, als die Königsetappe der Tour anstand. Bevor es unten im Tal von Moûtiers fast 2000 Höhenmeter hoch auf den Loze ging, hatten die Fahrer bereits die ultralangen Pässe Glandon und Madeleine in den Beinen, die Kletterleistung summierte sich am Ende des Tages auf 5450 Höhenmeter. Den schier endlosen Anstieg (26,5 km) aus dem Tal schafften die Profis in etwa einer Stunde 15, Ben O’Connor rettete sich vor Superstar Tadej Pogacar ins Ziel. Wir benötigten mehr als das Doppelte, leisteten dafür noch Pannenhilfe für einen Freund und gönnten uns zwei Fotostopps.

Reise-Check

Col de la Loze

Transport: Für die Anreise mit viel Sportgepäck inklusive der fünf Rennvelos konnten wir den neuen Ford Transit Custom nutzen. Der 5,45 Meter lange Leichttransporter schluckt bis zu 6,8 Kubikmeter an Gütern, bietet mit dem 170-PS- Turbodiesel Reserven auch für steile Steigungen und fährt sich unkompliziert und komfortabel. ford.ch

Unterkunft: Méribel und Courchevel gelten als mit die teuersten Destinationen Europas in Sachen Hotelübernachtung. Die Sommerpreise liegen hingegen eher unter Schweizer Niveau, jene für Ferienwohnungen sowieso.

Essen: Die savoyardische Küche setzt auf Währschaftes, gut für den hohen Kalorienbedarf von Velofahrerinnen und Velofahrern. Dazu gehören Würste, Gratins (z. B. Tartiflette mit Kartoffeln, Zwiebeln und Speck) oder Kuchen. An einem kühlen Spätsommerabend darf es gern ein ebenfalls typisches Raclette sein.

meribel.net
les3vallees.com
climbfinder.com

Verkehrsfreie Pässe: gute Gelegenheiten

Autofreie und asphaltierte Passstrassen wie der Col de la Loze gibt es kaum, dafür mehren sich Sperrungen zu gunsten von Radsportlern. Zum Beispiel:

Ride the Alps. Serie von Events im Wallis, wieder in 2026 organisiert.
ridethealps.ch

Klausen Monument. Sperrung am 14. September 2025 zwischen Unterschächen und Linthal.
klausen-monument.ch

Pyrénées Cycl’n Trip. Serie von Sperrungen im Hochsommer, die rund ein Dutzend teils berühmter Pässe zählt.
pyrenees-trip.com

Cols réservés. Passsperrungen in den französischen Alpen, Juni bis Oktober.
phenomenalpes.fr

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