Text und Fotos Pascale Stehlin
Während ich auf der Insel Djurgården in Stockholm spazieren gehe, dringen Männerschreie an mein Ohr, die umso lauter werden, je näher ich meinem Ziel komme. Jetzt höre ich sogar Säbelgerassel. Nach ein paar Metern entdecke ich endlich die Ursache des Radaus. Vor meinen Augen kämpfen zwei Wikinger und versetzen mich mitten in die Vergangenheit. Einer der Krieger ist über zwei Meter gross, trägt langes, blondes Haar zur Schau und hat einen dichten Bart. Sein Gegner, der einen Helm mit einem Kettengesichtsschutz trägt, ist kleiner, aber sehr wendig. Der Kampf wird heftiger, und der Riese, an der Seite getroffen, stürzt schliesslich zu Boden. Mit dieser Demonstration werden die Besucher des Wikingermuseums begrüsst. Dort wird auf interaktive Weise Schweden während der Zeit vom 8. bis ins 11. Jahrhundert dargestellt, die von einer Eroberung in Richtung Osten geprägt war. Krähen heissen uns heiser krächzend willkommen, als wir das Gebäude betreten. Die Götter Odin, Thor und Freya, die in der Ausstellung häufig vorkommen, scheinen uns aus den Augenwinkeln
zu beobachten..
Während die Wikinger in Sagen und Serien als gewalttätige Männer und nach Reichtümern dürstende Plünderer geschildert werden, erfahren wir hier, dass es in ihren Reihen auch Frauen gab. Eine ihrer Geschichten wird im Stockholmer Museum erzählt. Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte man in Schweden ihre Grabkammer. Darin wurden Skelette zweier Pferde, Schutzschilde und Waffen, aber auch ein Strategiespiel gefunden. Das lässt darauf schliessen, dass sie eine wichtige Figur der Epoche war und sich in Kriegskunst auskannte. Ein DNA-Test bestätigte, dass es sich tatsächlich um eine Frau handelte.
Doch verlassen wir die Geschichte, um den Met – Honigwein – zu probieren. Im Restaurant Eld im Museum werden Degustationen angeboten. Das alkoholische Getränk, das durch die Gärung von Wasser und Honig entsteht, war zur Zeit der Drachenschiffe sehr beliebt.
Der Legende nach förderte es die Inspiration von Dichtern, deren Aufgabe es war, die Abenteuer der Kämpfer mit den meisten Verdiensten zu erzählen. Im Eld gibt es verschiedene Sorten, die in kleinen Gläsern auf einem Holzstamm serviert werden, wie etwa den halbtrockenen Vår, der aus Holunderblüten gemacht wird. Im Suttungr Brew sind Preiselbeeren enthalten,
und der Branden på Orten ist der süsseste, mit gerösteten Äpfeln hergestellte Met. Nach der Verkostung ist es Zeit für ein Festgelage im Wikingerstil. Das Restaurant Aifur in der Altstadt von Stockholm ist einzigartig. Man betritt das Lokal über eine steile Treppe. Bei der Begrüssung nimmt der wie ein Wikinger gekleidete Zeremonienmeister nicht meinen Mantel entgegen, sondern stellt mich den anderen Gästen vor. Erst bläst er in ein Horn, bevor er laut verkündet: «Wir begrüssen Pascale, die weit aus der Schweiz angereist ist, um sich uns anzuschliessen.» Die anderen Gäste klatschen und rufen «skål!» – auf mein Wohl. Wir setzen uns an grossen Tischen auf Bänke, die Tierfelle zieren. Im Kerzenlicht werden flache, in spiralförmigen Halterungen stehende Gläser mit Bier gefüllt. Ein Musiker spielt mittelalterliche Weisen, während ein riesiger Teller mit Muscheln zur Vorspeise serviert wird. Der Kellner in der Wolltunika mit dem geflochtenen Bart scheint einem Drachenschiff entsprungen. Als Hauptspeise folgt ein Wildragout mit Beeren, wonach die Wikinger verrückt waren. Ja, so ein anstrengendes Leben machte sehr hungrig.
Übernachten:
Hôtel Reisen, Skeppsbron 12. Schön zentral in Gamla Stan nahe des Königspalasts gelegen.
Einkehren:
Eld (im Museum), Djurgårdsvägen 48.
Aifur, Västerlånggatan 68B.
Städtereisen
Unsere Touring-Reportagen über Städte, die manchmal unbekannt sind oder die man aus einem anderen Blickwinkel wiederentdecken kann.
Herbstspaziergänge zwischen Licht und Schatten
Wanderungen durch das ganze Land in hellem Herbstlicht bis hin zu einer faszinierenden nächtlichen Drachenbesteigung.
Klein Paris an der Donau
Die Wiener lieben es, Touristen kennen es kaum: das historische Servitenviertel mit viel französischem Charme.
Prag: Hoch über der Stadt der hundert Türme
Prag lockt mit Geschichte, Kultur und Gastronomie, und Besucher kommen in Scharen – zu Recht.