Text und Fotos Dino Nodari
Gleich beginnt das stündliche Schauspiel: Zur vollen Stunde erscheinen in Fenstern oberhalb der berühmten astronomischen Uhr am Prager Rathaus die zwölf Apostel und neben der Uhr verschiedene allegorische Figuren. Am Ende des kurzen Schauspiels, das seit 1410 fasziniert, kräht ein Hahn. Unten vor dem Rathaus drängen sich die Touristen mit gezückten Kameras Schulter an Schulter. Schnell wird klar: So ganz alleine ist man in Prag nie – sowieso nicht vor dem schmucken Rathaus mit der astronomischen Uhr und auch nicht auf der ikonischen Karlsbrücke, wohin es die meisten Schaulustigen nun zieht. Rund sechs Millionen Besucherinnen haben im letzten Jahr die tschechische Hauptstadt besucht. Weiter geht es beschwingt durch verwinkelte und wuselige Gassen, vorbei an prunkvollen Stadtpalais und reich verzierten Bürgerhäusern in Richtung Moldau. Wer Prag einmal von einer etwas anderen Perspektive erkunden möchte, dem bieten sich in der Stadt der hundert Türme vielfältige, hohe Aussichtspunkte. Während sich die Menschenmassen durch den gotischen Torbogen des Altstädter Brückenturms drängen, um über die Karlsbrücke zu schlendern, bleibt die offen stehende Tür im Durchgang fast unbemerkt. Nach einigen Stufen und über eine Wendeltreppe erreicht man die Aussichtsplattform. Der Blick vom Brückenturm auf die Stadt, die Prager Burg und den Berg Petřín ist einmalig.
Vom Stadtberg Petřín aus liegt einem Prag zu Füssen. Hier bietet sich ein wundervoller Blick über die Moldau, Karlsbrücke und Altstadt. Der Berg ist für Alpenländer eher ein Hügel und somit auch gut zu Fuss zu machen, wer es lieber ruhig angeht, kommt mit der Standseilbahn nach oben. Auf dem Petřín steht ein weiteres architektonisches Wahrzeichen von Prag. Der Aussichtsturm wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, und es ist leicht ersichtlich, dass sich die Erbauer vom Eiffelturm inspirieren liessen.
Schweift der Blick über die Stadt, ragt ein ganz anderer Turm klar heraus. Ein weiteres Wahrzeichen dieser historisch, kulturell und gastronomisch so unendlich reichen Stadt, aber eines, das lange Zeit sehr kritisch beäugt wurde und sich auch schon auf einer Liste der weltweit hässlichsten Bauwerke wiederfand. Lange Zeit taten sich die Prager schwer mit ihrem Fernsehturm, geplant noch zu sozialistischen Zeiten und 1992 fertiggestellt. 2000 wurden von einem Künstler krabbelnde Kleinkinder am Turm angebracht – ein Kniff, der dem Ungetüm etwas Leichtigkeit und Verspieltheit verliehen hat und nichts am grandiosen Ausblick ändert. Übrigens: Wer eine aussergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit sucht, findet diese im Sky Suite Hotel im Fernsehturm. Es gibt nur ein Zimmer und diese Exklusivität hat mit mindestens 800 Euro pro Nacht auch ihren Preis.
Wahrlich exklusiv hausten auch die böhmischen Könige in der Prager Burg hoch über der Stadt. Sie gilt als eine der grössten Burganlagen der Welt und beeindruckt nicht nur durch ihre gigantischen Ausmasse. Die Burg vereint mehr als tausend Jahre europäischer Geschichte und Architektur. Früher Sitz der Könige von Böhmen, ist sie heute Residenz des Präsidenten der Tschechischen Republik. Für den Besuch der Burg mit Veitsdom, Palästen und Kirchen sollte unbedingt genügend Zeit eingerechnet werden. Ein sehr schöner Blick auf Prag bietet sich etwa von den Gärten, die gar nicht einfach zu finden sind. Tipp: Über die Stiertreppe gegenüber dem Eingang des Veitsdoms gelangt man zu den Gärten. Zum Abschluss eines wundervollen Tags in Prag gehört sicher auch ein tschechisches Bier, etwa an der Rooftop-Bar des Pytloun-Hotels ganz in der Nähe des belebten Wenzelsplatzes.
Übernachten:
Hotel Botanique, Sokolovská 11. Eine gut gelegene Unterkunft in Gehdistanz zur Altstadt.
Einkehren:
U Parlamentu, Valentinská 52. Typisch böhmische Küche in der Altstadt.
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