Text und Fotos Juliane Lutz
Eine Französin fragt nach der Zitronenlimo von La Mortuacienne. Gerald König zeigt ihr, wo die Flaschen der Getränkemanufaktur Rième aus Morteau stehen. Als «Reine des Limonades» bezeichnet die seit 1921 existierende Firma selbstbewusst ihre feinen Erzeugnisse. König wartet auch mit Crêpes Dentelles von Gavottes, mit Nouaison Gin von G’Vine oder Austern aus Paris auf. Der Wiener, der lange für einen französischen Konzern arbeitete, betreibt einen Feinkostladen im Servitenviertel. Französisch hört man hier oft. Das Grätzl im 9. Bezirk trägt auch den Namen Klein Paris. Als 1946 das Lycée Français in der Liechtensteinstrasse eröffnete, zogen viele in Wien lebende Franzosen in das Quartier mit den prächtigen Bauten, die überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammen.
Gerald König war ebenso auf der Privatschule wie Lucas Wagner. Der verkauft in der Servitengasse 8 schöne Dinge im Geschäft Werkhaus seiner aus Frankreich stammenden Mutter. Schräg vis-à-vis vom Lycée hat sich Anne Morel aus Nantes in ihrem Laden Le Mag auf schicke Schuhe spezialisiert. Kulinarisch lässt sich die Sehnsucht nach Frankreich im La Mercerie in der Berggasse 25 stillen. In dem ehemaligen Kurzwarenladen stehen Eclairs, Croque Monsieur oder Kir auf der Karte. Die schönste (und beste) Tarte au citron der Stadt aber gibt’s bei Julia Kilarski im Crème de la Crème in der Langen Gasse 76. Zwar liegt ihre Patisserie knapp ausserhalb des Viertels, aber man fühlt sich bei der studierten Juristin, die dann doch lieber mit süssen Sachen arbeiten wollte, wie irgendwo im Marais oder im 5. Arrondissement von Paris.
Recht zentral nahe der Votivkirche, aber doch abseits der Touristenströme gelegen, lieben vor allem die Wiener das Viertel am Donaukanal. Der Name geht auf das 1639 vom katholischen Servitenorden gegründete Kloster zurück. Herzstück ist die frühbarocke Servitenkirche, deren von Bäumen beschatteter Vorplatz steter Treffpunkt für die Quartierbewohner ist.
Durch die Nähe zur Universität lebten schon immer Intellektuelle, Professoren und Mediziner zwischen Währinger Strasse, Schottenring und Rossauer Lände. Einer der bekanntesten war Sigmund Freud, der von 1891 bis zur Vertreibung durch die Nazis im Jahr 1938 in der Berggasse 19 praktizierte und wohnte. Ein Museum ist ihm gewidmet. Stefan Zweig ging auf das Gymnasium in der Wasagasse und fing das Leben im Quartier in «Die Welt von Gestern» ein. Heimito von Doderer wiederum verewigte die 1910 im Jugendstil errichtete, prächtigste Treppe von Wien in seinem Roman «Die Strudlhofstiege». Auch das um 1700 fertiggestellte Gartenpalais des Hauses Liechtenstein mit Park ist einen Blick wert. Bei Führungen kann die fürstliche Sammlung mit Meisterwerken von Rubens, Rembrandt oder Raffael besichtigt werden.
Die Wienerinnen und Wiener kommen zum Schauen hierher und zum Essen, denn es locken viele gute Lokale: vom altwienerischen Beisl Rebhuhn bis zum Hipstertreff Plain. Mit Knochenmark glasierte Buchteln statt Brot oder Carbonara mit Aal – im Minirestaurant Pramerl & the Wolf kreiert Ex-Unternehmensberater Wolfgang Zankl-Sertl abends fantastische Überraschungsmenüs. Schon die Weinkarte rechtfertigt den Besuch. Und die jungen Sommeliers Matthias Pitra und Steve Breitzke heben mit ihrem Weinbistro MAST die Latte in Sachen hervorragende Bioweine und moderne Bistroküche ebenfalls sehr hoch. Diese zwei Adressen sind für Gourmets ein Muss im Servitenviertel.
Übernachten:
Hotel Harmonie, Harmoniegasse 5–7. Wer mal da war, will nie mehr woanders absteigen.
Einkehren:
Pramerl & the Wolf, Pramergasse 21/1.
MAST, Weinbistro, Porzellangasse 53.
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