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Mord im Nachtexpress

Unterwegs mit Markus Somm

Alle lieben die Mobilität. Alle fürchten sie. Eine kleine Kulturgeschichte der mobilen Angst. 

Nachdem der Zug aus Müllhausen am 6. Dezember 1860 am frühen Morgen in Paris angekommen war, öffneten die Passagiere sofort ihre Abteile und strömten in die Stadt. Nur ein Abteil blieb geschlossen, so dass der Kondukteur die Türe aufsperrte, um Reisende, die vielleicht eingeschlafen waren, zum Verlassen aufzufordern. Tatsächlich lag im Abteil ein Mann, offensichtlich sehr müde, weshalb der Kondukteur ihn anfasste, um ihn wachzurütteln. Dabei berührte er etwas Feuchtes. Er zog die Hand zurück: Sie war voller Blut. Der Mann war tot. 

Die Nachricht löste in Europa eine neuartige Pandemie aus: Die Angst im Zugsabteil. War es für einen Mörder nicht ein Leichtes, jemanden im Zug umzubringen? Erwies sich der Passagier nicht als perfektes Opfer, wenn er allein im Abteil sass, während der Zug durch die Nacht ratterte, und der Lärm jeden Schrei, jeden Schuss unterdrückte? Besonders die Isolation im Abteil gab den Zeitgenossen zu denken, es kam Kritik an den Eisenbahngesellschaften auf: «Jeder gut organisierte Zug», so schrieb etwa der Pariser 'Figaro' «enthält einen Wagen für Raucher sowie einen für Damen, die allein zu reisen wünschen. – Warum kann man nicht an einem Wagen ein Schild anbringen: 'Reserviert für Mörder'»? Überall, hiess es, rüsteten die Passagiere auf – man sprach von Pistolen und Messern, die sie ins Abteil mitnahmen, um sich zu schützen, und wenn sich diese Geschichten auch bald als Gerüchte herausstellten, blieb die Panik. Wer sich in den Zug setzte, fuhr in Angst.

Jahre später zeigte sich, dass man die Gefahr überschätzt hatte. Es kam sehr selten zu Morden im Zug, sicher seltener als in den Kriminalromanen. Dass die Menschen sich täuschen liessen, hing damit zusammen, dass die Eisenbahn eine neue Technologie war, ja die erste, die eine Mechanisierung des Reisens gebracht hatte. War es nicht unheimlich, ohne Pferd und so rasch voranzukommen? Kein Wunder wirkte sich die Skepsis gegenüber dem Neuen in grotesken Ängsten aus: Man hatte Angst vor dem Mord im Abteil, Angst vor dem Entgleisen des Zuges, Angst vor den gesundheitlichen Folgen des Tempos. 

Ärzte diagnostizierten Krankheiten, die es nie gab und die man nicht mehr kennt, Pessimisten schrieben über den Niedergang der Reisekultur, weil die Menschen viel zu hektisch durch die Landschaften flitzten, als dass sie noch irgendwas wahrgenommen hätten. Wo war die Erhabenheit der Kutschenfahrt geblieben?

Man gewöhnte sich daran – bis das Auto auftauchte, und die Menschen erneut in Angst und Schrecken versetzte.


Markus Somm
Markus Somm ist Verleger und Chefredaktor des «Nebelspalter».

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