Begegnungszone Bitzi in der Stadt St. Gallen
Sicherheits- und Justizdepartement heisst Rekurs gut
Das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen hiess kürzlich einen Rekurs gegen die von der Stadt St. Gallen geplante Begegnungszone im Wohngebiet Bitzi im Quartier St. Georgen gut. Der Stadtrat ordnete die Tempo-20 Zone an, ohne die gesetzlichen Voraussetzungen gemäss Signalisationsverordnung einzuhalten. Der Entscheid gibt aus Sicht des TCS Anlass, sich zur Vorgehensweise der Stadt St. Gallen im Zusammenhang mit dem Erlass von Begegnungszonen zu äussern.
Besonders stossend ist der Umgang der Stadt mit den Zahlen. Von 173 Wohneinheiten nahmen nur 57 an einer Befragung teil. Davon sprachen sich 43 für eine Begegnungszone aus – das entspricht lediglich einem Viertel aller Betroffenen. Öffentlich sprach der Stadtrat jedoch von „75 Prozent Zustimmung“. Diese Zahlenverdrehung verzerrt die Realität und zeigt exemplarisch, wie ideologisch und realitätsfremd die Verkehrspolitik in der Stadt St.Gallen zuweilen betrieben wird. Dass die Stadt den kantonalen Entscheid nun anscheinend auch noch ans Verwaltungsgericht weiterzieht, unterstreicht den ideologischen Eifer.
Die rechtlichen Anforderungen an eine Begegnungszone
Das Bundesrecht ist klar: Begegnungszonen dürfen nur dort eingerichtet werden, wo eine spezifische, anders nicht lösbare Gefährdung besteht. Zudem sind sie ausschliesslich auf Nebenstrassen zulässig. Im Bitzi lag beides nicht vor. Statt gezielt Gefahren zu entschärfen, missbraucht die Stadt Begegnungszonen als politisches Steuerungsinstrument. Damit wird der gesetzliche Zweck verfehlt und die Verhältnismässigkeit verletzt.
Die Praxis zeigt, dass Begegnungszonen oft neue Schwierigkeiten schaffen. Der Verkehr weicht in angrenzende Quartiere aus, Parkplätze verschwinden und die Möblierung mit Blumenkübeln oder Sitzgelegenheiten reduziert die Übersichtlichkeit – mit neuen Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer. Besonders gravierend ist die Behinderung für Blaulichtorganisationen. Bei Einsatzfahrten zählt jede Sekunde. Verlängerte Anfahrtswege können im Ernstfall Menschenleben kosten.
Hinzu kommt die ideologische Idee, Strassen zu Aufenthaltsräumen umzudeuten. Strassen dienen primär der sicheren und effizienten Verkehrsabwicklung. Wer sie zum Aufenthaltsraum erklärt, delegiert Verantwortung an die fahrenden Mobilitätsteilnehmer und schwächt die Eigenverantwortung der Fussgängerinnen und Fussgänger. Ebenso wird den Kindern vermittelt, dass sie innerhalb von Begegnungszonen spielen und sich «frei» aufhalten und bewegen dürfen. Dies suggeriert ein falsches Sicherheitsgefühl und sorgt gerade bei Durchgangsachsen in Quartieren für sehr gefährliche Situationen.
Die Mythen der Begegnungszonen
Befürworter von Begegnungszonen versprechen sich weniger Unfälle, weniger Lärm und tiefere Schadstoffwerte. Doch die Realität sieht oft anders aus. Ein tieferes Tempolimit reduziert Unfälle nicht automatisch. Entscheidend ist der Bremsweg – und dieser hängt neben der Geschwindigkeit vor allem von Reaktionszeit, Witterung und Fahrbahnbelag ab. Ein aufmerksamer Fahrer bei 50 km/h kommt ähnlich schnell zum Stillstand wie ein unaufmerksamer bei 30 km/h oder gar bei 20 km/h.
Auch bei Lärm und Emissionen zeigt sich ein anderes Bild. Verkehrsberuhigende Massnahmen wie Schwellen führen zu häufigem Abbremsen und Anfahren. Das erhöht den Lärmpegel und steigert den Treibstoffverbrauch – teilweise um bis zu 25 Prozent. Rollgeräusche der Reifen dominieren zudem ab 20 km/h, der Motor spielt kaum mehr eine Rolle. Von echter Lärm- und Emissionsreduktion kann also keine Rede sein.
Die Position des TCS
Damit Begegnungszonen sinnvoll funktionieren, braucht es klare Kriterien. Sie dürfen nur in echten Quartierstrassen mit geringer Verkehrsbelastung entstehen, dürfen weder Gefälle noch Steigungen aufweisen und sollten somit flach sein. Weiter gehören sie nicht auf Hauptachsen, ÖV-Linien oder Velohauptrouten. Und: Eine Mehrheit aller betroffenen Anwohner muss einverstanden sein – nicht bloss eine Mehrheit jener, die bei einer Umfrage mitmachen. Zudem eignen sich Begegnungszonen in erster Linie für «Sackgassen» oder kleinräumige Siedlungsbereiche. Nur so wird verhindert, dass sie zum ideologischen Bremsklotz für die Mobilität werden.
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Allfällige Rückfragen an:
Marcel Aebischer, Präsident TCS Sektion St. Gallen – Appenzell I.Rh., Tel. 071 380 07 50
Oskar Seger, Präsident TCS Regionalgruppe St. Gallen und Umgebung, Tel. 079 767 03 66
St. Gallen, 30. September 2025